by schlichtwelt | 12. August 2025 | Aufreger
„Herzensprojekt? Wirklich?“
Neuerdings hat jeder ein Herzensprojekt.
Wenn du durchs Netz scrollst, findest du es an jeder Ecke.
„Endlich darf ich euch mein Herzensprojekt vorstellen!“
„So viel Liebe steckt in meinem Herzensprojekt!“
„Ich habe lange auf diesen Moment gewartet: mein Herzensprojekt ist online!“
Klingt toll.
Warm.
Persönlich.
Und vor allem: Unangreifbar.
Denn: Wer bitte würde ein Herzensprojekt kritisieren?
Das Herz steht ja schließlich drüber, oder?
Es war vor sieben Jahren, als wir diese Hündin aufnahmen.
Eine Hündin, die schon lange niemand mehr haben wollte.
Ein Wanderpokal, sagen manche.
Erst Scheidungshund, in einer Pension abgestellt, als wäre sie nur ein Möbelstück.
Dann viele Jahre Tierheim, dazwischen immer wieder kurze Vermittlungsversuche.
Doch immer wieder kam sie zurück.
Weil sie nicht „funktionierte“.
Weil sie gelernt hatte, dass Menschen nicht verlässlich sind.
Weil sie gelernt hatte, dass Angriff oft die einzige Sprache ist, die verstanden wird.
Wer ihr zu nahe kam, bekam die Zähne zu sehen.
Nicht, weil sie böse war, sondern, weil sie irgendwann aufgehört hatte zu hoffen, dass es irgendwo einen vertrauenswürdigen Menschen gibt.
Und trotzdem waren da diese Menschen, die sie nicht aufgaben.
Die ihr die Chance gaben, die ihr so viele andere verweigert hatten.
Die bereit waren, ihr Leben einmal komplett auf den Kopf zu stellen.
Nicht für Likes.
Nicht für Mitleid.
Nicht für Geld.
Sondern einfach, weil sie helfen wollten.
Weil sie fanden: Wenn nicht wir, wer dann?
Und sie haben alles gegeben.
Den Alltag umgebaut, das eigene Leben angepasst, Schritt für Schritt.
Damit diese Hündin endlich eines haben konnte: Sicherheit.
Ein Zuhause, in dem sie ankommen durfte.
Wo niemand mehr von ihr erwartete, perfekt zu sein.
Und irgendwann war es geschafft.
Die Hündin begann, loszulassen.
Wieder zu vertrauen.
Wieder zu leben.
Und als sie endlich so weit war, als sie wieder ein normales Hundeleben hätte führen können, da kam der Krebs.
Und nach zwei Jahren war alles vorbei.
Das war ein Herzensprojekt.
Still.
Aufrichtig.
Ohne Applaus.
Ohne Publikum.
Ohne Likes oder Klicks.
Einfach ein großes, leises Ja zu einem Lebewesen, das längst keiner mehr sehen wollte.
Und genau darum geht es bei Herzensprojekten.
Nicht darum, wie gut sie sich verkaufen.
Sondern darum, was sie hinterlassen.
by schlichtwelt | 5. August 2025 | Aufreger
Networker – Pest oder Cholera?
Ahhhh, und sie tauchen immer wieder auf. Wie Motten, die vom Licht der Hoffnung auf schnellen Reichtum angezogen werden. Die einen verkaufen Pulver, die anderen Pyramiden. Und alle, wirklich alle, haben sie eines gemeinsam: Sie wollen dir was andrehen.
Früher war’s die Tupperparty, heute sind’s Detox-Tees mit Durchschlaggarantie oder Drinks, die 1,5 Kilo Obst ersetzen sollen. Klar. Wenn ich ein Glas Gummibärensaft trinke, hab ich dann auch ’ne komplette Gemüseplatte intus? Nee, is’ klar.
Das Netzwerk der Ahnungslosen
Leute ohne Ahnung, aber mit zu viel Zeit und einem gesunden Maß an Selbstüberschätzung, bringen Produkte auf den Markt. Dann versuchen sie andere Leute ohne Ahnung davon zu überzeugen, wie „revolutionär“ diese Dinger sind. Damit das alles nicht so auffällt, bilden sie Teams. Da wird „gecoacht“, „gehyped“, „skaliert“ und „gedankt für diese krasse Community“, obwohl keiner weiß, was da überhaupt verkauft wird.
Und dann geht’s los:
- Insta-Stories mit Tränen in den Augen: „Ich hab mein Warum gefunden.“
- TikTok-Videos: „Mein Leben hat sich verändert dank MangoFit+“
- Und LinkedIn-Posts mit „Ich bin so dankbar für dieses Team voller Herzmenschen.“
Herzmenschen. Oh je. Wenn mir einer mit dem Wort kommt, lauf ich rückwärts aus’m Raum.
Das eigentliche Problem?
Es geht nicht um Gesundheit. Nicht um Wohlbefinden. Es geht um Geld. Schnell. Leicht. Ohne Substanz.
Die Ober-Influencer da oben in der Kette, die verdienen. Mit Trainings, mit Lizenzgebühren, mit Provisionsmodellen. Die da unten, die schuften. Für Likes. Für den Traum vom Laptop-Lifestyle. Und wenn sie’s merken, sind sie schon zu tief drin.
Wenn Leute MIT Ahnung…
Und weißt du, was fast noch schlimmer ist? Wenn Leute MIT Ahnung den Mist verkaufen. Weil sie genau wissen, wie sie andere ködern können. Weil sie wissen, wie Marketing funktioniert. Und wie man mit emotionalem Storytelling sogar Oma Ilse ’nen Detoxtee aufschwatzt.
Mein Endgegner?
„Kennst du das auch? Ich hatte Pickel am Po. Aber jetzt trink ich MangoFit+ und mein Hintern glänzt wie bei nem Instagram-Filter.“
Bah. Mach doch bitte einfach die Kamera aus.
Die Krönung?
Diese Sprüche:
- „Ich will nur helfen.“
- „Ich hab mich selbst so verändert.“
- „Es geht mir nicht ums Geld.“
Spoiler: Es geht IMMER ums Geld.
Mein Fazit?
Ich gönn jedem sein Glück. Ich bin auch nicht neidisch. Aber wenn du jemanden brauchst, der dir sagt, dass du MangoFit+ nicht brauchst, dann bin ich gern der Spielverderber.
Denn echte Veränderung kommt nicht aus dem Shaker. Sie kommt von Haltung. Von Arbeit. Und von Menschen, die was auf dem Kasten haben und nicht nur ein Discount-Link in ihrer Bio.
by schlichtwelt | 30. Juli 2025 | Aufreger
Zusammenhalt braucht keinen Anlass
Was mich in den 80ern und frühen 90ern geprägt hat, war die Amimess, ein deutsch-amerikanisches Volksfest, das in einer Siedlung in Karlsruhe stattfand, in der damals amerikanische Soldaten stationiert waren.
Mir persönlich gefiel die Amimess deutlich besser als die „normale“ deutsche Kirmes, die dreimal im Jahr in Karlsruhe aufgebaut wurde. Das lag natürlich vor allem an den Amerikanern.
Man kann von Amerika halten, was man will, aber am Ende sind wir doch alle Menschen. Mit unterschiedlichen Prägungen, Erziehungen und Werten. Nicht mehr und nicht weniger. Aber was mich damals faszinierte, war ihre entspannte Art. Diese gewisse Lockerheit, ihr Humor, ihre Offenheit, sie wirkten einfach… cool. Und dann diese Burger! Wer einmal dort gegessen hat, versteht nicht, wie man diese Putzlappenburger der beiden bekannten Ketten mögen kann. Bis heute ein Rätsel.
Was mich aber noch mehr beeindruckt hat, war etwas anderes: Die Wohnsiedlung bestand aus diesen typischen langgezogenen Mehrfamilienhäusern, wie man sie baute, wenn man schnell viel Wohnraum schaffen wollte. Vier oder fünf Stockwerke, pro Etage zwei Wohnungen, alle zehn Meter ein Hauseingang.
Und vor jedem dieser vielen Hauseingänge: ein Grill.
Kein Witz, die gehörten quasi zum Inventar. Und sie wurden benutzt! In den warmen Monaten saßen und standen die Menschen draußen, redeten, grillten, lachten. Es war lebendig. Man konnte den Zusammenhalt spüren. So eine Art Gemeinschaft, wie ich sie sonst in Deutschland nie wieder erlebt habe.
Klar, auch hier wird gegrillt. Aber meist hinterm Haus, hinter der Hecke, im eigenen Garten. Unter sich.
Nicht offen, nicht gemeinsam. Mehr „mein Garten, meine Bratwurst“ als „komm rüber, setz dich zu uns“.
Wenn man im Ausland unterwegs ist, erlebt man oft das Gegenteil: Da treffen sich Menschen am Abend auf öffentlichen Plätzen. Einfach so. Reden, lachen, weinen, spielen Karten, schauen den Kindern beim Toben zu. Und zwar generationsübergreifend. Kein Dorffest nötig, kein Anlass. Nur der Mensch, der andere Menschen trifft.
In Deutschland? Zusammenhalt gibt’s meist nur „anonym“, sobald es Alkohol gibt. Dann sind wir plötzlich alle Brüder. Aber echtes Miteinander? Das passiert hier höchstens, wenn es Katastrophen gibt. Ahrtal, Hochwasser, große Not. Dann kann’s plötzlich gehen.
Doch warum braucht es erst das Leid, um Menschlichkeit hervorzubringen?
Ich weiß nicht, wo wir falsch abgebogen sind. Aber irgendwas ist gewaltig aus dem Gleichgewicht geraten.
Wir sind soziale Wesen. Wir brauchen einander. Wir brauchen Gemeinschaft und ja, auch die Natur. Letztere leidet ohnehin schon genug unter unserer Ignoranz.
Dieses „erstmal ich, nach mir die Sintflut“ ist ein Krankheitssymptom unserer Zeit.
Ich erinnere mich an die Serie „Dick & Doof“. Die beiden machten ihrem Namen alle Ehre, sie stritten, sie zankten, sie waren völlig verschieden. Und doch: Man spürte diese absurde Zuneigung zwischen ihnen. Einen Funken Zusammenhalt, trotz aller Unterschiede.
Wir sind alle Menschen.
Ob dick, ob doof, ob Wunderkind, Faultier oder Extremsportler.
Und genau das ist doch das Schöne! Die Unterschiede.
Aber: Der Doofe kann vom Dicken lernen. Der Sportler kann das Faultier motivieren. Das Wunderkind kann sein Talent einsetzen, um anderen zu helfen.
Und doch leben wir in einer Welt, in der der Egoismus oft mehr zählt als Menschlichkeit.
„Mein Haus. Mein Auto. Mein Konto. Mein Urlaub. Mein teurer Whisky.“
Und ich so: Mir ist das sowas von egal.
Wenn jemand daran Freude hat, bitte. Aber definiere dich nicht darüber.
Nicht vor anderen. Und erst recht nicht vor dir selbst.
Wir reden über Inklusion, über Diversity, über Toleranz. Alles schön und gut.
Aber echter Zusammenhalt? Fehlanzeige.
Schlimm genug, dass es solche Sätze gibt wie:
„Du merkst erst, wer zu dir hält, wenn du in der Scheiße steckst.“
Warum eigentlich erst dann?
Müssten wir nicht immer ein bisschen mehr aufeinander achten?
Ich nehme mich da nicht aus. Auch ich kann jeden Tag neu dazulernen.
Zusammenhalt muss man nicht predigen. Man muss ihn leben.
Und wenn es viele kleine Gesten gibt, irgendwann wird es normal.
Zusammenhalt heißt nicht, dass man jeden mögen muss. Wirklich nicht.
Aber: Ein bisschen weniger lästern. Ein bisschen öfter helfen.
Ein bisschen mehr Ehrlichkeit in der Kommunikation, das tut allen gut.
Dem dahinten. Dir. Und mir.
Davon bin ich fest überzeugt.
– Roland
by schlichtwelt | 25. Juli 2025 | Aufreger
Essen ist Haltung und kein Lückenfüller
In einer Welt, in der Tiefkühlpizza als „schnell“ gilt und Fertiglasagne mit dem Prädikat „hausgemacht“ durchgeht, gibt es sie noch:
Die stillen Helden des Alltags.
Menschen, die bewusst einkaufen. Die beim Marktstand stehen, fragen, woher der Spinat kommt und nicht, wie lange man er in der Mikrowelle braucht.
Menschen, die nicht jedem bunten Verpackungsversprechen glauben, sondern mitdenken.
Die wissen: Es heißt Lebensmittel und nicht etwa „Bauchvollmacher“ oder „Multifunktionale Kalorienquellen“.
Denn mal im Ernst: Was ist das eigentlich für ein Irrsinn? Da klatscht man sich jeden Tag irgendwas in den Magen, Hauptsache satt, Hauptsache billig.
Und dann wundert man sich über Erschöpfung, Hautprobleme, Allergien oder Stimmungsschwankungen.
Ja, klar, liegt bestimmt am Wetter.
Aber dann gibt’s diese anderen.
Die, die verstehen, dass Essen mehr ist als Nährstoffzufuhr. Die ihre Lebensmittel nicht nur nach dem Preis, sondern nach Herkunft, Qualität und Saisonalität auswählen.
Die, die wissen, dass ein Apfel aus der Region mehr Sinn macht als Erdbeeren aus Spanien im Januar.
Die, die Bioprodukte kaufen, nicht, weil’s „in“ ist, sondern weil sie damit Haltung zeigen.
Für Tiere, für Böden, für sich selbst.
Diese Menschen will ich heute feiern.
Die, die sich nicht von Werbeslogans blenden lassen, sondern lieber den Demeter- oder Bio-Hof um die Ecke unterstützen.
Die, die mitdenken und mitfühlen.
Die, die wissen: Du bist, was du isst und noch viel mehr: Wie du isst, sagt auch was darüber aus, wie du denkst.
Gesellschaft beginnt im Einkaufskorb.
Verantwortung beginnt mit der Frage: „Was nähre ich: Meinen Körper oder nur die Gier nach Bequemlichkeit?“
Also: Respekt an alle, die sich dafür entscheiden, bewusst zu essen. Die regional kaufen, saisonal denken und bei „bio“ nicht die Augen verdrehen, sondern hinsehen.
Ihr seid die stillen Weltverbesserer, ohne Plakate, ohne Lautstärke, aber mit echtem Tiefgang.
Und genau davon bräuchten wir mehr.
Denn Nahrung soll Leben spenden, nicht nur füllen.
Und: Das Ganze hat nichts mit Verzicht zu tun. Sondern mit Würde. Mit Wertschätzung.
Mit Zukunft.
Danke, dass ihr anders seid. Danke, dass ihr Haltung zeigt, auch im Kleinen.
Und wir haben das Glück, dass wir hier in der Nähe so tolle Menschen haben, die uns mit gesunden Lebensmitteln versorgen.
Wie zum Beispiel Biolandhof Riehle, den Biolandhof Schindele, den Biohof Döffinger. Und natürlich auch die Geschäfte wie das Naturkostlädle in Weil der Stadt, die Sessler Mühle in Althengstett und Gommels Bioladen in Heimsheim. Falls ich jemand vergessen habe, Entschuldigung, ich wohne erst seit einem Jahr in Weil der Stadt 🙂
Und mein Mitleid gilt denen, die dann doch die Spanienerdbeere kaufen.
Die sich dann allen ernstes wundern und laut postulieren, dass in den landwirtschaftlichen Erzeugnissen doch kaum noch Nährstoffe drin sind und meinen, sie müssen sich irgendwelche Pulver hinter die hohle Birne kippen. Prost.
– Roland
by schlichtwelt | 22. Juli 2025 | Aufreger
Arschkriecher, das unangenehme Rückgrat der Erfolglosen
Es gibt Dinge, die mir wirklich gegen den Strich gehen.
Ganz vorne dabei: Arschkriecher.
Diese Menschen, die von nix ’ne Ahnung haben, aber sich trotzdem überall wichtigmachen und das nicht etwa durch Können, sondern durchs peinliche Hinterherkriechen bei denen, die vermeintlich ein bisschen Einfluss haben.
Die vermeintlich das eigene kleine Licht etwas heller leuchten lassen.
Es ist wie ein schlechter Film mit ständigem Fremdschämpotenzial.
Und das Beste daran?
Die kriechen sich sogar gegenseitig in den Hintern.
Da lobt der eine die „unglaubliche Kompetenz“ des anderen, obwohl beide zusammen gerade mal wissen, wie man ein Selfie hochlädt. Fachlich null Substanz, aber auf Kuschelkurs mit jeder halbgar scheinenden Autorität.
Weißt du, was mich daran wirklich stört? Es geht nicht ums Können, nicht um Haltung, nicht um aufrichtige oder gar herzliche Arbeit, sondern nur um „Wer schmeichelt wem am schleimigsten?“
So eine Art sozialer Aufstieg per Sabberspur. Und das ist einfach nur erbärmlich.
Und jetzt stell dir das Ganze in der Hundewelt vor: Da gibt es diesen einen Hund, der sich ständig unterwirft, dem anderen die Lefzen leckt und vor lauter Schleimerei vergisst, dass er selbst auch Zähne hat.
Kein Rückgrat, kein Mut, sondern nur hoffen, dass ein Leckerli abfällt, wenn man lange genug wedelt.
Macht aber kein Hund!
Genau so aber wirkt es bei diesen menschlichen Schleimern: Kein eigener Stand, keine Haltung, lediglich gefallen wollen, um nicht durchs Raster zu fallen.
Arschkriecherei ist keine Leistung.
Es ist ein Trick, den manche benutzen, wenn sie selbst nichts zu bieten haben.
Wenn man etwas bewegen willst: Dann lernt man was. Dann tut man was. Man zeigt Rückgrat.
Aber dieses Kriechen, das tut auf Dauer auch allen anderen weh.
– Roland