Ich habe theoretisch seit einigen Monaten aufgrund Extrem-Learnings gar keine Zeit, hier meine Gedanken niederzulegen. Aber was nun die ARD wieder losgetreten hat, macht mich schon wieder stinkig.

Es geht da um scheinbar unfaire Behandlung der Leiharbeiter seitens Amazon.

Und plötzlich geht das Gekreische los: Auweia auweia. Ich kaufe NIE wieder bei Amazon, und klickt am besten alle auf „Gefällt mir“ um das zu unterstützen.

Mal im Ernst liebe Leute.

Man sollte vielleicht nicht ganz so kleingeistig denken. Aber das ist in Deutschland mittlerweile sowieso Mode geworden.

DENN: Zu unfairen Bedingungen gehören immer mehrere. Die, die unfair behandeln lassen.
Die, die unfair behandeln und schliesslich die, die sich unfair behandeln lassen.

Kaufe ich nun nicht mehr bei Amazon, was passiert? Die, die sich unfair behandeln lassen haben vielleicht mittelfristig keinen Job mehr. Ist ihnen da geholfen? Nö.

Was ist mit Firmen wie Lidl, Nokia, um nur mal zwei zu nennen. Gingen die pleite, weil plötzlich so ach gar keiner mehr einkauft? Nö. Gut, Nokia geht es vielleicht nicht ganz so prickelnd, aber das sind hausgemachte Probleme. Aber ich sehe noch genug Menschenmassen, die bei Lidl ihr Geld hintragen.

Wo steckt also der Fehler?

  • 1. In erster Linie einmal bei der Politik. Der, der sich so einen Dreck wie Zeitarbeit hat einfallen lassen, gehört meiner Meinung nach geteert und gefedert. Zeitarbeitsfirmen sind seit eh und je bekannt, mies zu bezahlen. Dass hier und da sicherlich die Mitarbeiter nicht so behandelt werden, wie man es erwarten sollte, liegt allerdings auf der Hand. Wer mit Menschen Geld verdient, indem sie einfach wie Ware vermittelt werden, hat fast schon grenzwertig kriminelle Energie. In anderen Kreisen sagt man dazu Zuhälter. Also schafft in erster Linie die Zeitarbeit ab.

    Mimimi, aber dann ziehen die Preise an, die Firmen sind nicht mehr konkurrenzfähig blablabla. Ja. Und? Es gibt schlimmeres, als dass Firmen pleite gehen. Tante Emmas Laden ging sicher nicht pleite, weil es keine Zeitarbeiter gab.

  • 2. Geiz ist geil. Schön. Hat ein Konzern spruchreif gemacht. Fast jeder Konsument versucht heute zu sparen. Nicht umsonst kaufen ein paar Hirnis bei Dingsbay leere Kartons in der Hoffnung das größtmögliche Schnäppchen zu machen. Wie, der gewünschte Artikel hat aber einen zu hohen Preis? Dann gibts halt nix. Punkt. Da muss ich halt sparen oder weggucken.

    Aber diese Sparmentalität führt nunmal dazu, dass die Konzerne ihrerseits auch sparen, wo es geht. Und das geht nunmal am leichtesten bei den schweigsamen Mitarbeitern.

  • 3. Die Mitarbeiter selbst. Wer um alles in der Welt lässt alles mit sich machen? Ok, es mag sicher welche geben, die von der ARGE den Job vermittelt bekommen haben. Mein tiefes Inneres sagt mir, dass der größte Teil aber freiwillig seine Arbeit verrichtet. Aber wer sich als morderner Sklave alles gefallen lässt, der hat recht wenig Mitleid zu erwarten.

Ich für meinen Teil werde weiterhin fleissig bei Amazon kaufen.

Wieso?

Nicht des Preises wegen. Der Service ist bei Amazon schon immer einmalig. Die Waschmaschine wird mir in den Keller geliefert. Bei Nichtgefallen wird das Teil wieder abgeholt. Bestellte Ware ist dank Prime zu 99,9% am nächsten Tag da. Reklamationen werden schnell und problemlos abgewickelt. Und schlussendlich: Einmal hin, alles drin. Das passt besser zu Amazon, als zu dem Pferdefleisch-Discounter 😉 Und ich weiss, dass auch Amazon recht herzlich wenig Steuern zahlt, ABER: Ich bin mir dessen vollumfänglich bewusst.

Was nützt nun ein Amazon-Boykott? Herzlich wenig.

Kleingeist eben. Die jetzigen Amazon-Boykottierer sind die, deren Töchter im Primark Klamotten für 3,- Euro kaufen. Die, die sich morgen im Supermarkt das Massentierhaltungsschweinefilet in den Einkaufswagen legen. Die, denen es herzlich egal ist, ob sie beim nächsten Restaurantbesuch Formfleisch und Analogkäse auf ihrer Pizza liegen haben. Die, die sich Tierversuchsschminke ins Gesicht pampen. Die, die den Orangensaftkonzentratssaft aus China auf den Frühstückstisch stellen. Die, die sich Milchreis von Firmen auf den Tisch stellen, die in Deutschland keine Steuern zahlen (ja ich weiß, wie oben gesagt, Amazon macht dies scheinbar auch nicht). Die, die ihre Tiere mit Fertigfutter verunglimpfen. Die, die dieses Jahr Merkel wählen. Und schlussendlich die, die DSDS gucken 😉 Achja und natürlich die, die Pferdefleisch in ihrer „Lasagne“ haben. 🙂

All das vielleicht gar nicht wissentlich, sondern: WEIL SICH KAUM EIN SCHWANZ GEDANKEN MACHT! Ok, ausser DSDS, das guckt man wissentlich 😉

Und wenn sich manche Gedanken machen, dann über die falschen Dinge. Wie jetzt halt eben Amazon.

Man müsste viel mehr boykottieren. Viel viel viel mehr. Aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Und bei mir eine Tachykardie nebst Schnappatmung hervorrufen.

In diesem Sinne.